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Es kann so einfach sein mit etwas Respekt, Verständnis und Achtsamkeit

Wenn die Scham das Leben bestimmt

Ein Bild, was wir als Hundemenschen alle kennen: Hunde, die kläffend auf den Hinterbeinen in der Leine stehen, lautstark bellend außer Rand und Band sind. Hunde, die wie Raketen mit gefletschten Zähnen nach vorne schießen oder auch Hunde, die sich mitten auf den Weg legen und sich keinen Meter mehr bewegen.

Wir haben direkt ein Bild vor Augen. Bilder von diesen Hunden, aber ein Bild von den Besitzern dieser Hunde haben wir zumeist nicht. Besitzer voller Scham und Hilflosigkeit. Menschen, die irgendwie versuchen diese Situationen zu meistern, irgendwie zu bewältigen. Umdrehen, ins tiefste Gestrüpp flüchten, sich verstecken oder gar große Umwege in Kauf nehmen.

Jeder von uns weiß, wie bedrückend und unangenehm das Gefühl von Scham ist. Jeder von uns hat sich mehr als einmal in seinem Leben so richtig geschämt. Scham ist beklemmend, es ist unangenehm und bedrückend. Ein Gefühl, was keiner von uns gerne erlebt. Das gleiche gilt für die Hilflosigkeit - hilflos zu sein, der Situation nicht mächtig, keine Kontrolle zu haben, nichts ändern zu können, ein Gefühl was zumindest ich persönlich hasse.

Wie schlimm muss es dann für einen Menschen sein, wenn die Scham für den eigenen Hund so groß ist, dass man sich nur noch nachts raus traut? Die Scham sich selbst gegenüber, das Gefühl versagt zu haben. Menschen, die Kilometer weit fahren, nur damit sie bloß keiner erkennt. Oder Menschen, die sich irgendwann einfach gar nicht mehr mit dem Hund vor die Tür trauen. Wenn Menschen anfangen, ihr Leben so einzuschränken, sich und ihren Hund nahezu zu verstecken, um bloß nicht mehr dieses Gefühl von Scham und Hilflosigkeit ertragen zu müssen, dann ist das sehr traurig. Traurig für Mensch und Hund. Ausnahmen? Nein, davon gibt es leider viel zu viele.

Wir sind immer schnell im Urteilen, Verurteilen, Belächeln, Missachten. Ja, verurteilen können wir Menschen besonders gut. Aber kennen wir die Geschichte dahinter? Wissen wir, warum diese Person diesen Hund hat? Wissen wir, ob diese Leute nicht bereits bei sämtlichen Hundeschulen waren oder vielleicht die finanziellen Mittel es einfach nicht zulassen eine zu besuchen? Kennen wir die Geschichte des Hundes, die des Menschen, die Umstände und deren Lebenssituation? Zumeist wissen wir es nicht, urteilen aber. Ist das nicht unfair? Geht es diesen Menschen nicht schon schlecht genug? Jeden Tag Scham, Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Haben wir dann ein Recht sie so zu verurteilen oder sie abwertend anzuschauen ohne etwas von diesem Mensch-Hund-System zu wissen? Wir haben alle unsere Probleme. Ist es dann fair, Menschen auch noch dafür zu belächeln oder abzustempeln?

Wir als Hundeliebhaber könnten uns das Leben unter Hundehaltern doch deutlich harmonischer gestalten, wenn wir einfach mal mit Respekt und Achtsamkeit, Liebe und Verständnis in solche Situationen gehen würden. Mit Respekt unseren Mitmenschen, unseren Gleichgesinnten gegenüber - wir sind doch alle Hundeliebhaber!

Uns allen würde Achtsamkeit, Verständnis und Respekt in Hundebegegnungen extrem gut tun. Wenn ich an meine 5er Hundegruppe denke, dann kann ich sagen, würde ich mit allen Hunden zusammen gehen, käme auch ich schnell in eine Situation, die alles andere als angenehm ist. Mein Kangal fordert eine große Individualdistanz, mein Jungspund Jam geht schnell in eine hohe Erregungslage und macht Stimmung und meine französische Bulldogge Elmo kann Stimmung nicht lange halten. Begegne ich nun einem dieser freilaufenden „der tut nichts-Hunde“ oder diesen beliebten Hund-Mensch-Teams, die einfach mitten auf dem Weg verharren, und man einfach keine Ahnung hat, wie man dort dran vorbei kommen soll, wird es “lustig“. Habe ich keine Chance uns etwas Distanz zu verschaffen, dann wäre das Ergebnis: Eine kreischende Jam, eine verteidigende Kedi, ein Elmo, der die Stimmung nicht halten kann und zunächst in den Kangal und dann in mich fliegt, und eine weinende, zusammenbrechende Omi-Hundedame, die die Energie nicht ertragen kann. Ok, der Hound, der würde sich das ganze entspannt anschauen. Und ich bin am Ende meiner 3-jährigen Hundetrainerausbildung, aber auch ich wäre dieser Situation mit diesen 5 Hunden nicht gewachsen.

Hinzu kommen dann noch diese Begegnungen, in denen man sich Distanz abseits des Waldweges verschafft und ausweicht und es dann trotzdem Menschen gibt, die ihre Hunde zu einem lassen, stehen bleiben und doof gucken, während die eigenen noch für eine gewisse Zeit alles versuchen, um sich zu kontrollieren und es mir recht machen wollen, bis dann die Bombe platzt. Dann folgt der entsetzte Blick des anderen und bei mir ein Gefühl der Wut und Traurigkeit, weil meine Hunde es versucht haben, es aber nicht schaffen konnten aufgrund von Respektlosigkeit und Unachtsamkeit anderer.

Dabei könnte es so einfach sein...

Was ich sagen will mit dieser Textreihe ist, dass es doch viel angenehmer und harmonischer für uns alle wäre, wenn wir Hundemenschen es uns gemeinsam in Begegnungen mit etwas Verständnis für den anderen und Achtsamkeit leichter machen würden und so für mehr Harmonie sorgen. Uns verbindet doch alle die Liebe zum Hund. Muss man seinen Hund ohne Leine weiterlaufen lassen? Muss man mitten auf dem Weg mit seinem Hund stehen bleiben nahezu in der Pose eines Türstehers? Muss man frontal auf ein Hund-Mensch-Team zugehen, wenn man bereits erahnt, dass es zu Problemen führen wird? Kann man sich nicht diese vorwurfsvollen, belächelnden oder missachtenden Blicke sparen in Situationen, die schon unangenehm genug sind für manche Mensch-Hund-Teams? Muss man sich noch eine Egopolitur abholen, nur um dem anderen noch zu zeigen, wie gut man es selbst und der eigene Hund hinbekommt? Es ist doch so leicht, Begegnungen allen etwas leichter zu machen und sich entgegenzukommen. Kann man nicht einfach seinen Hund anleinen, warten oder gegebenenfalls etwas Platz machen, wenn es mit dem eigenen Hund doch einfacher fällt als dem Menschen gegenüber?

Nicht jeder Hund ist gleich, nicht jeder Mensch ist gleich. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, aber kann man die Schwächen des anderen nicht akzeptieren, muss man die Situation noch unangenehmer gestalten? Hat es nicht viel mehr Stärke, wenn man mit einem Hund, der durch solche Situationen souverän geht, versucht es dem anderen Menschen und seinem Hund einfacher zu machen, so dass auch dieser weiterhin Spaß an dem Leben mit Hund hat?

Mit etwas Verständnis, Rücksicht und Achtsamkeit kann jeder von uns so viel für den anderen tun und so mit Leichtigkeit für mehr Harmonie unter uns Hundeliebhabern sorgen. Es kann doch so einfach sein mit etwas Respekt, Liebe und mehr Akzeptanz für andere.

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